In Deutschland werden jährlich rund 100.000 Immobilien zwangsversteigert. Ein- bis Zweifamilienhäuser werden für 70 bis 85 Prozent des Verkehrswertes ersteigert. Was viele nicht wissen: Dabei handelt es sich nicht nur um alte und verwohnte Objekte, auch schöne und moderne Immobilien können bei Zwangsversteigerungen gefunden werden.
Die Gründe für eine Zwangsversteigerung sind vielfältig und oft tragisch: Scheidung, Arbeitslosigkeit, aber auch eine hoffnungslose Überschuldung sind nur einige Beispiele. Vor allem Letzteres, die Privatinsolvenz, ist ein typischer Grund für die Zwangsversteigerung einer Immobilie. Hierzu kommt es, wenn der Immobilieneigentümer seine Rechnungen oder Darlehensraten nicht mehr zahlen kann.
Die Zwangsversteigerung soll die Schulden bereinigen. Dabei lässt der Gläubiger (meist die Bank) die Immobilie versteigern und bedient sich aus dem Erlös. Oft kommt es auch dann zu einer Zwangsversteigerung, wenn eine Erbengemeinschaft sich über eine gemeinsam geerbte Immobilie nicht einigen kann.
Die Zwangsversteigerung von Immobilien ist im "Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung" (ZVG) geregelt. Der Ablauf des Verfahrens sowie die Rechte und Pflichten der Beteiligten sind darin genau beschrieben. Die Versteigerungstermine werden spätestens sechs Wochen im Voraus durch die Gerichte bekannt gegeben und können auf diversen Internetplattformen online eingesehen werden.
Grundsätzlich kann jeder, der sich mit seinem Personalausweis oder Reisepass registriert, teilnehmen. Bietinteressenten müssen außerdem eine Sicherheitsleistung von zehn Prozent des vom Gutachter festgestellten Verkehrswertes nachweisen können. Diese Sicherheitsleistung kann durch eine Bankbürgschaft, einen Bankscheck oder durch eine rechtzeitige Überweisung an das Gericht geschehen, Bargeld ist nicht mehr zugelassen.
Kernstück einer Zwangsversteigerung ist der Versteigerungstermin. Damit sich alle Bietinteressenten sorgfältig auf diesen Termin vorbereiten können, müssen sie erst den Verkehrswert der Immobilie erfahren. Dieser wird von einem Bauexperten ermittelt, der vom Gericht beauftragt wird. Dafür erstellt der Experte ein Wertermittlungsgutachten. Bietinteressenten können dieses Gutachten bereits vor dem Versteigerungstermin einsehen und oft auch das Objekt besichtigen. Die Eigentümer haben aber das Recht, eine Besichtigung abzulehnen.
Beim Versteigerungstermin werden den Anwesenden erneut Objektdaten wie Verkehrswert und eventuelle Baulasten mitgeteilt. Auflagen und Beschränkungen werden bekannt gegeben und die Versteigerungsbedingungen festgelegt. Nach der Bekanntmachung stellt das geringste Gebot, das nicht identisch mit dem Verkehrswert ist, den Ausgangspunkt dar. Dieses geringste Gebot setzt sich aus dem Bargebot und bestehenden bleibenden Rechten zusammen.
Anschließend fordert das Gericht die Anwesenden zur Abgabe von Geboten auf. Die Bietzeit bei Zwangsversteigerungen beträgt mindestens 30 Minuten. Währenddessen können Interessenten Fragen stellen, mit den Gläubigern sprechen und das gerichtliche Gutachten erneut einsehen. Werden trotz Aufforderung des Gerichts keine Gebote mehr abgegeben, wird die Versteigerung geschlossen. Auch Betroffene können übrigens mitbieten. Das macht oft dann Sinn, wenn eine Erbengemeinschaft sich nicht einigen konnte und ein Gemeinschaftsmitglied die Immobilie selbst bewohnen möchte.
Nach dem die Identität des Höchstbietenden überprüft wird und dieser auch die Sicherheit geleistet hat, wird das Gebot zugelassen. Sind Mängel beim Identitätsnachweis oder bei der Sicherheit aufgetreten, wird das Gebot sofort zurückgewiesen.
Der Vorteil einer Zwangsversteigerung für den Ersteigerer ist, dass für die Immobilie keine Notar- und Maklerkosten anfallen. Jedoch werden sowohl die Grunderwerbssteuer als auch die Kosten für die Grundbucheintragung und 0,5% des Zuschlagswertes als sogenannte Zuschlagsgebühr fällig.
Selbst wenn die Eintragung im Grundbuch noch nicht erfolgt ist, gehen alle Rechte und Lasten mit Erteilung des Zuschlages auf den neuen Eigentümer über. Hiermit ist alles die Immobilie betreffende nun das Problem des neuen Eigentümers – auch wenn das Objekt zugemüllt ist oder nachträglich Schäden gefunden werden.
Erst einige Wochen nach dem Versteigerungstermin erfolgt der Verteilungstermin, an dem der restliche Kaufpreis gezahlt werden muss und die Umschreibung im Grundbuch erfolgt. Ist das Objekt vermietet, bleibt der geltende Mietvertrag bestehen, kann jedoch mit einer Drei-Monats-Frist bei Vorliegen eines berechtigten Interesses (wie etwa wegen Eigenbedarf) gekündigt werden.
Welche Wohnrechte und Schulden auf der jeweiligen Immobilie liegen, kann man im Grundbuch und im Baulastenverzeichnis kontrollieren. Der Verband Privater Bauherren (VPB) rät, dass die Dokumente von Interessenten über das Gericht eingesehen werden können, wie die Nachrichtenagentur „dpa“ berichtet. Die Immobilie sollte außerdem sehr sorgfältig besichtigt werden (von innen und von außen), damit der Interessent den Wert der Immobilie vernünftig und realistisch beurteilen kann.
Ein unabhängiger Sachverständiger kann zudem beurteilen, ob mögliche Sanierungskosten anfallen. Ein Immobilienmakler kann in der Regel ebenfalls eine professionelle und kostenfreie Hausbewertung vornehmen.
Ebenfalls sollten sich Personen sehr gut vorbereiten, welche nur ein bebautes Grundstück kaufen möchten. Sie sollten sich die Frage stellen, ob die alte Immobilie abgerissen werden darf. Auch wichtig sind Abstandsgrenzen zum Nachbarhaus (betrifft den Neubau), sowie mögliche Auflagen, welche nicht ohne weiteres ignoriert werden können. Wenn diese Faktoren stimmen, dann kann an den Neubau besser planen.